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Handbuch zur deutschen Strafrechtsgeschichte in Zusammenarbeit mit G. Dilcher, G. Jerouschek, H. Schlosser, E. Wadle, J. Weitzel, D. Willoweit
Finanzierung:
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ;
Das Projekt geht der Frage der Entstehung des heute sogenannten "öffentlichen Strafrechts" nach, insbesondere seit wann, aus welchen Gründen und unter welchen Bedingungen Rechtsverletzer mit Strafen an Leib und Leben, Geldstrafen und (viel später) mit Freiheitsentzug belegt werden.
Bis zum hohen Mittelalter beherrschte das "Strafrecht" eher der Gedanke des Schadensausgleichs für das Opfer bzw. dessen Hinterbliebenen auf Veranlassung einer Partei ("Wo kein Kläger, da kein Richter"). Diese "Sühne" ähnelt mehr dem heutigen zivilrechtlichen Schadensersatz. Erst mit dem Aufkommen des Inquisitionsverfahrens im 12. Jh. wird der Trend zu einem "öffentlichen Strafrecht" sichtbar. Was aber heißt "öffentlich"? Die beiden großen historischen Strafrechts- und Strafverfahrenssysteme, das Bußenstrafrecht mit dem Akkusationsverfahren einerseits und das "peinliche" Strafrecht mit dem Inquisitionsverfahren andererseits, ergänzten sich jahrhundertelang wechselseitig. Erst im 16. Jh. gewannen der Inquisitionsprozeß und die "peinlichen" Strafen mit dem Erlaß der ersten Reichsstrafprozeßordnung (Constitutio Criminalis Carolina) 1532 Dominanz. Allerdings vollzog sich dieser Prozeß territorial und zeitlich sehr differenziert. So lehnten Kursachsen, Kurbrandenburg, das Erzstift Magdeburg und andere Territorien des sächsischen Rechtsgebietes die Anwendung der Carolina ausdrücklich ab. Sie verwiesen auf ihr Landesrecht, das im Sachsenspiegel zwischen 1220 und 1235 aufgezeichnet worden war. Danach waren "peinliche" Strafen die Ausnahmen. Den Alltag beherrschte vielmehr das alte Sühneverfahren mit materiellem Schadensausgleich. Noch am Ende des 16. Jh. war es in Kursachsen üblich, Totschläge durch einen Sühnevertrag zu regeln, ohne daß über den Täter eine "Strafe" verhängt wurde. Das ist deshalb bemerkenswert, weil zu dieser Zeit bereits eine funktionstüchtige Gerichtsverfassung als Voraussetzung obrigkeitlicher Strafverfolgung zur Verfügung stand.
Dieser Parallelität von Sühnever trägen und obrigkeitlicher Strafverfolgung widmet sich das Teilprojekt "Sühne und Strafgerichtsbarkeit in Kursachsen", das vom Projektleiter betreut wird. Dabei geht es um die Erfassung der Rechtswirklichkeit anhand der einschlägigen Archivalien (Sühneverträge und Gerichtsordnungen und -protokolle zwischen 1423 und 1586 aus den Staatsarchiven Dresden, Magdeburg und Weimar), die zum Teil erheblich von den allgemein bekannten Rechtsnormen abweicht. Die Quellen geben Auskunft über die soziale Stellung der Beteiligten, die angewandten Rechtsgrundlagen sowie die unterschiedlichen Interessenlagen. Eine Hypothese, die schon bald sichtbar wurde, geht dahin, daß der frühneuzeitliche kursächsische Territorialstaat erkannt hatte, daß das überkommene Bußen- und Sühnesystem für seine finanziellen Einkünfte effektiver ist, als das neuere peinliche Strafrecht. Die "öffentliche" Verfolgung des Straftäters, seine Festsetzung und Bewachung, die Entlohnung des Henkers, die Bezahlung der von ihm benötigten Utensilien (Strick, Nägel, Beil) verursachte immense Kosten. Sicher ist aber auch der ureigene Zweck von Recht, Frieden in der Gemeinschaft zu wahren bzw. wieder herzustellen, ein wichtiger Gesichtspunkt. Die Einigung von Täter und Opfer über Ausgleichsmaßnahmen zur Wiederherstellung des Rechtsfriedens wird effektiver gewesen sein. Wie sich diese Dinge in den Quellen konkret widerspiegeln, darf mit Spannung abgewartet werden.
Auch die moderne Strafrechtswissenschaft hat einen Täter-Opfer-Ausgleich parallel zum Strafverfahren gefordert, der mit ersten Erfolgen praktiziert wird. Gewalttätern, die auf frischer Tat ergriffen werden, soll sogleich der Prozeß gemacht werden, lautet eine weitere aktuelle Forderung. Dahinter verbirgt sich unverkennbar das Verfahren auf "handhafter Tat", das schon im Mittelalter den Handhafttäter anderen Regelungen unterwarf als den später festgesetzten.

Schlagworte

Strafgerichtsbarkeit, Strafrechtsgeschichte
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